Was ist eine VFU?

Als Virtuelle Forschungsumgebungen (VFU) werden „flexible Infrastrukturen“ bezeichnet, „die es Forschern erlauben, die Potenziale elektronischer Medien und Technologien für das kollaborative Arbeiten zu nutzen und daraus auch neue Forschungsmethoden und -gegen­stände zu entwickeln“ (KZII 2011: 28). VFU sollen „alle nötigen Instrumente, Daten, Informationen und Werkzeuge zur Verfügung stellen, so dass der Wissenschaftler losgelöst von Ressourcen- und Zugangsproblemen (Speicher, Rechenzeit, Log-In etc.) in einem virtuellen Netzwerk seiner Forschungstätigkeit nachgehen kann“ (Neuroth u.a. 2007: 273).

Eine VFU ist demnach „eine Arbeitsplattform, die eine kooperative Forschungstätigkeit durch mehrere Wissenschaftler an unterschiedlichen Orten zu gleicher Zeit ohne Einschränkungen ermöglicht. Inhaltlich unterstützt sie potentiell den gesamten Forschungsprozess – von der Erhebung, der Diskussion und weiteren Bearbeitung der Daten bis zur Publikation der Ergebnisse –, während sie technologisch vor allem auf Softwarediensten und Kommunikationsnetzwerken basiert.“ (Allianz-Initiative 2011)

VFU „ermöglichen vernetztes, zeitlich und räumlich unabhängiges Arbeiten in Gruppen und stellen die dafür benötigte IT-Infrastruktur, Informationsressourcen, Werkzeuge zur Datenproduktion und -weiterverarbeitung sowie Kommunikations- und Publikationsmittel zur Verfügung“ (DFG 2010: 25).

Die Architektur und die Funktionen einer VFU lassen sich nicht standardisieren. Sie sollen ausdrücklich die fachlich-inhaltliche Vielfalt unterstützen und „je nach fachspezifischen und individuellen Charakteristika strukturell sehr weit ausdifferenziert sein“ (KZII 2011: B74). Sicher gilt generell, dass die Arbeitsweisen der Wissenschaftler/innen Grundlage für die zu entwickelnden Informationsangebote und Dienstleistungen sein sollen (Winkler-Nees 2011). VFU können somit nur „forschungsnah“ entstehen – ihre Entwicklung bedeutet zugleich eine technische und eine soziale Innovation. Die Forschenden sollen den Aufbau und die Weiterentwicklung von virtuellen Forschungsumgebungen aktiv mitgestalten und mit steuern: Die kooperative Entwicklung unter Beteiligung von Forschern, Informationsspezialisten und IT-Fachleuten gehört zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren einer virtuellen Forschungsumgebung. Die Fachwissenschaftler formulieren ihre Anforderungen und begleiten die informationelle und softwaretechnische Entwicklung der virtuellen Forschungsumgebungen in einem iterativen Prozess. Bibliotheken und Rechenzentren sorgen für wissenschaftsnahe Standardisierungen, die Unterstützung von wissenschaftlichen Fachdiensten durch Basisdienste sowie die Sicherung der Nachhaltigkeit von Services und Forschungsergebnissen.“ (KZII 2011: B87f.)

Die AG KZII zum Themenfeld Virtuelle Forschungsumgebungen benennt bereits einige Erwartungen an Funktionalität und Struktur von VFU (KZII 2011: B80):

  • Unterstützung des kompletten Forschungszyklus (z. B. von der Datenerhebung durch Messinstrumente über die Analyse und Sequenzierung bis zur Publikation und Archivierung der Forschungsdaten),
  • Unterstützung von Projektvorbereitung und -management unter Einbeziehung der lokalen administrativen Systeme (z. B. Finanz- und Personalmanagement, E-Mail-Dienst, Zeit- und Terminplanung),
  • umfassender Informationszugriff unter Einbeziehung unterschiedlicher Informationstypen (z. B. Literatur, Forschungsdaten, Simulationen sowie Forschungsprozessinformationen wie Projekte, Forscher u. a.) aus verteilten Quellen,
  • einfache und benutzerfreundliche Nutzbarkeit Virtueller Forschungsumgebungen,
  • modularer Aufbau und flexible Konfigurierbarkeit hinsichtlich beteiligter Forscher/in­nen, verfügbarer Funktionen und integrierter Informationen mit entsprechender Verwaltung von Zugangsrechten,
  • Unterstützung des Datenaustausches zwischen den Forscher/innen und den Modulen der Forschungsumgebung sowie mit externen Quellen und Systemen (Bibliothekskatalogen, sozialen Netzwerken, Publikationsplattformen und Open Access-Repositorien) und Standardsoftware (z. B. Office- oder Statistikpaketen),
  • nachhaltige Verfügbarkeit von Informationen und Funktionen, gewährleistet durch wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen.

 

Literatur

Allianzinitiative (2011): Definition Virtuelle Forschungsumgebung.  http://www.allianzinitiative.de/de/handlungsfelder/virtuelle_forschungsumgebungen/definition/

Deutsche Forschungsgemeinschaft (2010): Informationsverarbeitung an Hochschulen – Organisation, Dienste und Systeme. Empfehlungen der Kommission für IT-Infrastruktur 2011-2015. Bonn.

Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur (zitiert als KZII) (2011): Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in Deutschland. Empfehlungen der Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur im Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. April 2011.

Neuroth, Heike/Aschenbrenner, Andreas/Lohmeier, Felix (2007): e-Humanities - eine virtuelle Forschungsumgebung für die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. In: Bibliothek. Forschung und Praxis, 3 (2007), S. 272-279.

Winkler-Nees, Stefan (2011): Anforderungen an wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen. Working Paper Series des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten 180