Projektinhalt

Das Interesse der Forscher richtet sich auf die Globalisierung von westeuropäischen Unternehmen und die Effekte dieser Aktivitäten für das jeweilige nationale Sozialmodell. Das Projekt startet mit der Hypothese, dass die Veränderungsdynamik vor allem deshalb so groß ist, weil westeuropäische Unternehmen seit Mitte der 90er Jahre verstärkt Reorganisations- und Relokalisierungsstrategien miteinander kombinieren. Sie folgen damit einem Trend, der in Japan und den USA schon länger wirksam ist. Einst vertikal integrierte Unternehmen brechen ihre traditionellen Organisationsstrukturen auf, konzentrieren sich auf Kernkompetenzen und verlagern wachsende Anteile der Wertschöpfung auf externe Zulieferer. Infolge der Liberalisierung von Handel, Finanzmärkten und grenzüberschreitenden Investitionen können die Standorte für einzelne Teile ("Fragmente") der Wertschöpfungskette, also für Forschung und Entwicklung, Fertigungs- oder Serviceaktivitäten, leichter über nationale Grenzen hinweg verlagert werden. Als Resultat von Reorganisation und Relokalisierung entstehen neuartige Produktionsnetzwerke.

Für westeuropäische Unternehmen haben sich die Möglichkeiten zum Aufbau und zur Nutzung solcher produktiver Strukturen über Organisations- und Ländergrenzen hinweg massiv erweitert, seit der "eiserne Vorhang" gefallen ist und sich der europäische Wirtschaftsraum zunehmend nach Osten ausdehnt. Handels- und Investitionsstatistiken belegen ebenso wie vereinzelte Fallberichte, dass Standorte insbesondere in Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik zunehmend von westlichen Unternehmen genutzt werden. Nicht nur von westeuropäischen Finalherstellern und Zulieferern, sondern auch von großen, weltweit agierenden Zulieferern und Fertigungsspezialisten der Auto- und der Elektronikindustrie – sogenannte "global supplier" -, die über diese Standorte ihren Einstieg in die Wertschöpfungsketten der westeuropäischen Industrie suchen. Die Optionen an östlichen Standorten sind groß, bieten sie doch neben niedrigen Löhnen ein breites Reservoir an industrieerfahrenen, gut ausgebildeten, teilweise hoch qualifizierten Arbeitskräften und ein sehr offenes und gestaltbares institutionelles Umfeld. Äußerst lückenhaft und vorläufig ist allerdings das Wissen darüber, wie westliche Unternehmen diese Optionen nutzen. Welchen Stellenwert haben Standorte in Mittel- und Osteuropa in den Reorganisations- und Relokalisierungsstrategien westeuropäischer Unternehmen? Welche Arten von paneuropäischen Wertschöpfungsnetzwerken entstehen dabei? Wie sieht die Ost-West-Arbeitsteilung in diesen Produktionsstrukturen aus? Und welcher Anpassungsdruck auf die nationalen Institutionengefüge im Westen geht von diesen Entwicklungen aus?

Diese Forschungsfragen sollen mit einer breit angelegten Empirie in den Wertschöpfungsketten deutscher, französischer und italienischer Unternehmen der Auto-, der Elektronik- sowie der Textil- und Bekleidungsindustrie geklärt werden.